Genehmigungsfiktion in der gesetzlichen Krankenversicherung

 In Allgemein

Rechtsanwalt Jürgen Walczak informiert aus dem Sozialrecht zur

Genehmigungsfiktion in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Grundsätzlich gilt im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (geregelt im Sozialgesetzbuch/SGB V) das sogenannte Sachleistungsprinzip. Das bedeutet, dass die Krankenkassen ihre Leistungen gegenüber ihren Versicherten direkt u.a. durch Vertragsärzte und Vertragskrankenhäuser erbringen.

Manche Leistungen bedürfen eines vorherigen Antrages bei der Krankenkasse, wie z.B. die Versorgung mit Zahnersatz, Hilfsmitteln oder speziellen, ggf. neuen Behandlungsmethoden.

Weil diese Antragsverfahren oft zu lange dauerten, hat der Gesetzgeber im Jahre 2013 mit § 13 Abs. 3 a SGB V die sogenannte Genehmigungsfiktion eingeführt:

Nach dieser Bestimmung muss die Krankenkasse über einen Leistungsantrag zügig, spätestens innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang entscheiden. Hält die Krankenkasse die Einholung eines medizinischen Gutachtens namentlich durch den medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) für erforderlich, so verlängert sich die Frist auf fünf Wochen. Hierüber muss die Krankenkasse den Versicherten informieren. Hält die Krankenkasse die gesetzlichen Fristen nicht ein, so ist sie dem Versicherten zur Erstattung der Kosten verpflichtet, wenn sich dieser nach Ablauf der Frist die Leistung selbst beschafft. Die Leistung gilt dann Kraft Gesetzes als genehmigt (Genehmigungsfiktion).

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Urteil vom 06.11.2018 (Az. B 1 KR 30/18 R) über einen Fall entschieden, in dem die Krankenkasse nach einem Leistungsantrag des Versicherten ein Gutachten des MDK einholte und den Antrag dann noch innerhalb der fünfwöchigen Frist ablehnte, ohne aber den Versicherten zuvor über die Einholung des Gutachtens zu informieren.

Nach Auffassung des BSG ist auch in diesem Falle die Genehmigungsfiktion eingetreten, weil die Krankenkasse ihre Informationspflicht gegenüber dem Versicherten versäumt hat. Nur wenn die Krankenkasse den Versicherten innerhalb der dreiwöchigen Frist über die Einholung des Gutachtens informiert, kommt es zur Verlängerung der Frist auf fünf Wochen. Anderenfalls wäre die gesetzlich vorgesehene Informationspflicht für die Krankenkasse sanktionslos. Hat sich der Versicherte die Leistung noch nicht selbst beschafft, so entsteht nach Auffassung des BSG nach Ablauf der Frist im Wege der Genehmigungsfiktion ein Sachleistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse. Die Genehmigungsfiktion hat nach der vorgenannten Entscheidung des BSG im Übrigen drei Voraussetzungen:

  1. Der Versicherte muss gegenüber der in Anspruch genommenen Krankenkasse grundsätzlich leistungsberechtigt sein.
  2. Die begehrte Leistung muss in dem Antrag hinreichend genug bestimmt sein.
  3. Der Antrag muss eine Leistung betreffen, die der Versicherte für erforderlich halten darf und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung liegt.

Im Zusammenhang mit der Genehmigungsfiktion sind noch eine Reihe weiterer Rechtsfragen offen und noch nicht abschließend entschieden. So hat beispielsweise das Sozialgericht Hamburg in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil entschieden, dass die Krankenkasse ihrer Informationspflicht nur dann genügt, wenn sie dem Versicherten nicht nur die Einholung eines Gutachtens rechtzeitig anzeigt, sondern ihm auch Tag genau mitteilt, wann die fünfwöchige Frist abläuft. Nicht abschließend entschieden ist auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Krankenkasse die fiktiv ergangene Genehmigung des Antrags wieder durch Verwaltungsakt aufheben kann.

In Anbetracht dieser oft schwierigen Rechtsfragen ist es daher empfehlenswert, rechtzeitig den Rat eines Fachanwaltes für Sozialrecht einzuholen, um Rechtsnachteile, namentlich durch versäumte Widerspruchsfristen gegen nachteilige Bescheide, zu vermeiden.

Rechtsanwalt Jürgen Walczak steht Ihnen dafür mit seiner mehr als 30 jährigen Erfahrung gern zur Verfügung.

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